Die Diskussion um das Burgholz-Denkmal geht in eine neue Runde!

Es gab kein hastig einberufenes Standgericht!

Seit 2004 gibt es Bemühungen, am Tatort im Burgholz  einen würdigen Gedenk- und Erinnerungsort für die Opfer zu schaffen.

Seit einigen Wochen steht ein neuer Gedenkstein im Burgholz, was wir ausdrücklich begrüßen. Leider enthält der neue Gedenkstein trotz öffentlicher Kritik eine Passage, die die Hintergründe des Verbrechens falsch darstellt und dadurch die Mordtat verharmlost.

Es gab kein hastig einberufenes Standgericht! Es gibt keine Belege für diese Behauptung, außer den Behauptungen der Täter selbst und es gibt keinen Grund 73. Jahre nach dem Massaker der Tat irgendeine  juristische Legitimation zu verleihen!

Wir erlauben uns daher die Gedenktafel zu ergänzen und  bei der Gedenkwanderung am 18. März einen großen QR-Code an dem Denkmal anzubringen...

Unsere Argumente sind im untenstehenden Buchkapitel dargelegt.

Lieselotte Bhatia

Stephan Stracke

Gedenkwanderung zum Burgholz-Massaker

Sonntag, 18. März 14:30

Treffpunkt Bushaltestelle Obere Rutenbeck/ Küllenhahnerstr.

Auszug aus:

Lieselotte Bhatia • Stephan Stracke

Vergessene Opfer. Die NS-Vergangenheit der Wuppertaler Kriminalpolizei

 Das Burgholz-Massaker – Strafverfolgung und Gedenken

Ausgangspunkt unserer neuen Recherche ist die Auseinandersetzung um eine Gedenktafel für die Opfer des Burgholz-Massakers in der Nähe des Tatortes. Seit 2004 gibt es Bemühungen, am Tatort einen würdigen Gedenk- und Erinnerungsort für die Opfer zu schaffen. Seit 2016 unterstützte die Bezirksvertretung Cronenberg das Vorhaben.1 Im Mai 2016 übernahm der damalige Leiter des Historischen Zentrums, Eberhard Illner, im Auftrag der (städtischen) „Kommission für eine Kultur des Erinnerns“ die inhaltliche Federführung für die Formulierung des Gedenktafeltextes.
Das Protokoll der Kommission für eine „Kultur des Erinnerns“ fasste den Auftrag seinerzeit so zusammen: „Herr OB Mucke schildert die Vorgeschichte. Die BV Cronenberg und verschiedene Initiativen (Frau Bathia, Verein zur Erforschung der sozialen Bewegung und Verein Spurensuche) wünschen sich schon seit langem die Einrichtung eines Erinnerungsortes im Burgholz. Lt. Herrn Dr. Illner gebe es Differenzen bei der Einordnung der historischen Fragestellung und der Bewertung. Die Verbrechen im Burgholz müssten sehr sorgfältig historisch aufgearbeitet werden. Es gebe Akten des britischen Militärgerichts von Verfahren gegen Wuppertaler Kriegsverbrecher, die im Public Record Office in London-Kew aufbewahrt würden. Er schätzt, dass es auch Material in Washington gebe. Es gehe nicht nur [um] ein Schild, sondern die ganze Geschichte müsse auch als Thema für Schulen ausführlich und historisch einwandfrei dargestellt werden.“2
Schließlich wurde das Historische Zentrum beauftragt, auch in den National Archives in Kew die Untersuchungen zum Burgholz Case aufzunehmen: „Die Recherchen in London sollen in diesem Jahr erfolgen und in der nächsten Sitzung der Kommission vorgestellt werden. Bis spätestens Februar 2017 soll das Ergebnis umgesetzt werden.“3
Im Dezember 2017 legte Eberhard Illner einen ersten Gedenktafelentwurf vor. Die Ergebnisse waren aus unserer Sicht leider nicht „historisch einwandfrei“ und „sorgfältig historisch aufgearbeitet“ wie postuliert, sondern im Text finden sich z. T. gravierende inhaltliche Fehler.4 Verschiedene Akteure, HistorikerInnen und Vereine haben sich zu den unterschiedlichen Entwürfen geäußert und es wurden mittlerweile zahlreiche Kritikpunkte in den städtischen Gedenktafelentwurf aufgenommen. Der gravierendste Kritikpunkt, die Passage vom „hastig einberufenen Standgericht“, soll voraussichtlich aber auf der „städtisch geprüften“ Gedenktafel bleiben.5
Diesen kleinen „Historikerstreit“ möchten wir als Gelegenheit nutzen, unsere aktuellen Forschungsergebnisse zum Burgholz Case zu präsentieren. Nach einem kurzen Überblick zum Forschungsstand und einer kurzen Geschichte des Burgholz-Gedenkens, rekonstruieren wir die Ereignisse des Frühjahrs 1945 und wenden uns dann der Strafverfolgung und insbesondere den beiden Burgholz-Prozessen in Hamburg zu. Dabei untersuchen wir die Verteidigungsstrategien der Burgholz-Täter und ihrer UnterstützerInnen und die Umstände ihrer Rückkehr in die Gesellschaft. Die Kontroverse um das „Standgericht“ werden wir in einem eigenen Kapitel bearbeiten.

Die Erfindung des Standgerichts – Strafvermeidung und Rechtfertigungsstrategien der NS-Täter

Zunächst zurück zur Debatte um die Gedenktafel im Burgholz. Dem städtischen Entwurf für die Gedenktafel zufolge soll ein „im Polizeipräsidium Wuppertal hastig einberufenes ‚Standgericht‘ die Unrechtsurteile gefällt“ haben.6 Dieser Behauptung möchten wir ausdrücklich widersprechen. Es gab nach umfangreicher Auswertung der Gerichtsunterlagen und weiterer Quellen kein Standgericht. Und daher gab es auch kein Gericht, das „Unrechtsurteile“ hätte fällen können. Auch gibt es keine Hinweise auf ein hastiges Vorgehen der Täter. Vielmehr entdeckten wir, dass sich NS-Täter in nachfolgenden Ermittlungs- und Gerichtsverfahren immer wieder erfolgreich auf angebliche Standgerichtsurteile bezogen, um nicht bestraft zu werden. Hinzu kommt, dass die Rechtfertigungsstrategien der Täter und ihrer Verteidiger auch Eingang in die wissenschaftliche Literatur und Erinnerungsarbeit gefunden haben und dass jetzt sogar die Behauptungen der Mörder auf einer Gedenktafel für die Opfer des Burgholz-Massakers Platz finden sollen. Letzteres zumindest möchten wir verhindern und werden daher unsere Argumente im Folgenden ausführlich erläutern:

In den Quellen gibt es faktisch keine Hinweise auf ein hastiges Vorgehen, im Gegenteil: Die Verhaftungen und die daraus resultierenden Ermittlungen begannen am 21. Januar 1945. Der Leiter des Exekutionskommandos, Karl Wilhelm Beine, sagte aus: „Etwa gegen Anfang Februar 1945 war ich bei einer Konferenz zwischen dem Kriminalrat Hufenstuhl und dem Polizeipräsidenten Krahne zugegen. Es wurde besprochen, wo man 30 Russen erschiessen könnte, und man einigte sich, dass der Schiesstand Burgholz ein geeigneter Platz sei.“7 Anfang Februar 1945 wurde der Gestapobeamte Waldorf vom Gestapoleiter Hufenstuhl mit dem Ausheben einer Grube für die Exekution beauftragt.8 Aus weiteren Zeugenaussagen wissen wir, dass Häftlinge aus dem Polizeigefängnis bereits Anfang Februar 1945 das Massengrab ausheben mussten.9 Die Täter hatten also genug Zeit zur Umsetzung ihres Vorhabens. Das Massaker fand erst vier bis sechs Wochen später statt.

Die Ermittlungen und Folterverhöre übernahm das für Einbruch und Diebstahl zuständige 2. Kommissariat der Kriminalpolizei. Nach Abschluss der kriminalpolizeilichen Ermittlungen wurde der „Vorgang“ – wie bei „Ausländersachen“ üblich – der Gestapo „zur weiteren Veranlassung“ übergeben. Über die daraus für die ausgewählten Häftlinge resultierenden Folgen konnte spätestens zu diesem Zeitpunkt wohl kein Zweifel mehr bestehen.

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