Die ersten Wuppertaler NS-Opfer
Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal e.V.
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Pressemitteilung zur Veranstaltungsreihe 1933 Niemals vergessen!
Die ersten Wuppertaler NS-Opfer
Unser Geschichtsverein möchte heute zum Beginn des Gedenkjahrs die aktualisierte Liste der ersten Wuppertaler NS-Opfer vorlegen. Aufgenommen haben wir die NS-Opfer, die von der SA, SS und sonstigen Nationalsozialisten bis August 1933 getötet wurden.
Über die Opfer des Terrors 1933 in Deutschland gibt es trotz jahrzehntelanger NS-Forschung bis heute nur ungefähre Schätzungen. Neuere Arbeiten gehen von 500 bis 1.000 Toten aus. In Wuppertal kennen wir zwar jetzt die Anzahl der Ermordeten und auch ihre Namen, aber über viele existieren bisher nur bruchstückhafte Informationen, die wie ein Mosaik zusammengesetzt werden müssen.
Die Verfolgten-Organisation VVN ging 1947 von bis zu 30 Toten aus, konnte aber in ihrer „Ehrenliste der Toten des Wuppertaler Widerstandes“ damals nur 14 Opfer namentlich benennen.
Die ältere Forschung seit 2004 basierte im Wesentlichen auf der Datenbank "Politisch Verfolgte des Nationalsozialismus", die 2004 im Rahmen des von Prof. Heinz Sünker und Dr. Dieter Nelles geleiteten Forschungsprojekts - Die "Kinder des Widerstands". Lebensbedingungen und Sozialisation der Kinder von politisch und religiös Verfolgten des NS-Regimes - an der Bergischen Universität Wuppertal erarbeitet wurde -- online: http://www.ns-verfolgung.uni-wuppertal.de/ David Mintert konnte 2007 u.a. auf dieser Datenbasis eine erweiterte Auflistung von 17 Getöteten vorlegen.[1]
Ausgehend von der genannten Datenbank und Minterts Recherchen haben wir 2022 zur Vorbereitung unseres Ausstellungsprojektes die schon bekannten Opfernamen und Sterbedaten nochmal intensiv kontrolliert. Dabei fiel uns auf, dass viele Informationen aus den Wiedergutmachungsakten den Angaben in den Sterbeurkunden und regionalen Tageszeitungen widersprechen.
Wir haben daher die Sterbeurkunden und die Wiedergutmachungsakten im Wuppertaler Stadtarchiv noch einmal überprüft. Im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem konnten wir zudem die Bestände des Ministerium des Innern GStA PK, I. HA Rep. 77 auswerten und stießen bei der Recherche auf weitere Opfernamen. Wir haben sogar einzelne Obduktionsfotos finden können. Schließlich haben wir die Tageszeitungen aus dem Bergischen Land nach Polizeimeldungen und Artikeln untersucht. Zentral war auch die Auswertung der Nachkriegsprozesse gegen lokale SA- und SS-Täter, die im Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland in Duisburg liegen.
Aus diesen Recherchen ergibt sich eine neue Opferliste mit 20 Namen, auch mit korrigierten Sterbedaten, die wir gerne mit der historisch interessierten Öffentlichkeit teilen möchten. .
Das erste Opfer der Nationalsozialisten war nach unseren neuen Recherchen Oswald Laufer. Er wurde am 7. März 1933 gegen 18:10 Uhr von SA-Männern beschossen und verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus. Das zweite Opfer war Heinrich Born. Er wurde ausweislich seiner Sterbeurkunde am 8. März 1933 vormittags tot auf einer Wiese am Otto-Hausmann-Ring aufgefunden, er war nach Zeugenaussagen zuletzt am 7. März um 21:00 Uhr noch lebend gesehen worden.
Aus den Recherchen ergab sich auch, dass politische Gegner schon vor dem 7. März 1933 von Nazis schwer verletzt wurden, aber erst später starben. So wurde Friedrich Stracke schon im Februar 1933 angeschossen (ein genaues Datum ist nicht bekannt), verstarb aber erst am 7. Mai 1933. Paul Reuber wurde am 2. März 1933 angeschossen und starb am 18. März 1933 im Krankenhaus.
Mindestens 7 weitere Antifaschisten wurden 1933 von den Nazis angeschossen, aber überlebten. Namentlich bekannt sind: Josef Leßmann (Katholik), Wilhelm Gröb (KPD), Werner Pommerenke (KPD), Heinrich Bender (Reichsbanner), Ewald Fecker (KPD), Friedrich Schmidt (SPD), Gustav Waselowski.
Anlage: Opferliste der Veranstaltung im Polizeipräsidium am 30.1.2023
Die ersten Wuppertaler NS-Opfer
(Forschungsstand vom 20.2.2023)
7.3.1933 Oswald Laufer (8.4.1905 in Elberfeld), Jude, SPD/Reichsbanner, Wilhelmstraße 45, Kaufmann, Er wurde am 7.3.1933 um 18:15 Uhr von SA-Männern in der Wilhelmstraße angeschossen und im Krankenhaus St. Josef gestorben (StaW, Sterbeurkunde Elberfeld Nr. 523)
8.3.1933 Friedrich Born (1.2.1901 in Elberfeld), RFB/KPD, Bauarbeiter, Simonsstr. 69. Er wurde am 8.3.1933 tot auf einer Wiese am Otto-Hausmann-Ring aufgefunden. Born wurde am 7.3.1933 um 21:00 Uhr zuletzt lebend gesehen. (StAW, AfW Nr. 77787; StaW, Sterbeurkunde Elberfeld Nr. 525)
9.3.1933 Karl Altenloh (14.2.1903), Transportarbeitergewerkschaft, Kutscher, Heckinghausenerstr. 213. Er wurde am 8.3.1933 an der unteren Werléstr von zwei unbekannten SS-Leuten mit einer Pistole in den Kopf geschossen Er starb am 9.3.1933 im Krankenhaus. (StaW, Sterbeurkunde Barmen Nr. 550) (StAW, AfW Nr. 77399.)
18.3.1933 Paul Reuber (13.7.1898), KPD, Bauarbeiter, Baumstr. 12. Am 2.3.1933 wurde Paul Reuber an der Neviandtstraße vom SA-Mann Fritz Faulenbach angeschossen. Er starb am 18.3.1933 im Krankenhaus. (StaW, Sterbeurkunde Elberfeld Nr. 573)
30.3.1933 Margarete Quint (28.10.1910 in Abtei Landkreis Trier), Leimbacherstr. 42. Sie war ein Zufallsopfer. Sie wurde am 29.3.1933 an der Bruderstraße (heute vorderer Teil der Bogenstraße) von SS-Männern, die bei einer Hausdurchsuchung bei kommunistischen Aktivisten scharf schossen, durch einen Querschläger schwerverletzt. Sie starb am 30.3.1933 im Krankenhaus. (GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit.4043 Nr. 127, Bl. 421; StaW, Sterbeurkunde Barmen Nr. 666)
2.4.1933 August Klein (24.3.1872 in Barmen), KPD, Mitglied der ehemaligen RFB-Kapelle, Arbeiter, Wiesenstr. 69 in Langerfeld, Klein wurde am 1.4.1933 um 0:45 Uhr in der Höfenstr. 27 von einem SA-Mann angeschossen. Er erlitt einen Bauchschuss und starb am 2.4.1933 im Barmer Krankenhaus. (Todesbescheinigung, LAV NRW R, Gerichte Rep. 29 Nr. 24, Bl. 9c.)
5.4.1933 Wilhelm Brüninghaus (47), Kaufmann, Karlstraße, wird von den SA-Leuten Benno Gottschalk und Ernst Pira im Wäldchen an der Bremerstrasse erschossen. Er wurde um 23:15 Uhr mit einen schweren Schussverletzung aufgefunden. Er starb auf dem Weg ins Krankenhaus.
(Freiheit vom 13. Juli 1948; GA vom 7.4.1933)
7.5.1933 Friedrich Stracke (3.1.1878 in Emmerich), KPD, Gärtner, Freilingrathstr 21.
Er wurde im Februar 1933 von Nationalsozialisten angeschossen (Bauchschuss) Er starb am 7.5.1933 (StaW, Sterbeurkunde Elberfeld Nr. 838)
16.5.1933 Alfred Meyer (24.3.1898 in Würzburg), Zahnarzt, Helmutstr. 32. Alfred Meyer wurde am 16.5.1933 um 15:00 Uhr von 4 SA-Männern aus einer Wohnung in Düsseldorf entführt, ermordet und in der Bever-Talsperre versenkt. Seine Leiche wurde am 17.5.1933 entdeckt.
(GStA PK, I. HA Rep. 84a, Nr. 53389)
25.6.1933 Werner Dreyer (2.6.1907 in Elberfeld), SPD/Reichsbanner, Former, Neue Friedrichstr. 55, Er wurde am 15.6 von SA-Leuten an der Ecke Ludwigstraße und Georgstraße angeschossen. Er wurde um 23:45 Uhr an der Kreuzkirche in der Ludwigstraße gefunden. Dreyer starb am 25.6.1933 im Krankenhaus St. Josef. (StaW, Sterbeurkunde Elberfeld Nr. 1072; GA vom 16.6.1933)
25.6.1933 Erwin Kraehkamp (18.10.1906 in Elberfeld), KJVD, Bauarbeiter Paradestraße 74. Er wurde am 24.6.1933 um 4:00 Uhr von SA-Leuten am Hombüchel/Höhe ehemaliges Volkshaus angeschossen, er starb am 25.6.1933 im Krankenhaus. (StaW, Sterbeurkunde Elberfeld Nr. 1103)
26.6.1933 Hans Goersmeier (11.7.1905 in Elberfeld), KPD, Kutscher, Notwohnung Am Giebel 17. Er wurde von SA-Männern und Polizei um 2:30 Uhr aus seiner Wohnung geholt und verschleppt. Am 26.6.1933 wurde er in einem schmutzigen Tümpel in der Beek in Elberfeld tot aufgefunden. (StaW, Sterbeurkunde Elberfeld Nr. 1088)
26.6.1933 Wolfram Custin (16.10.1913 in Elberfeld), SPD/Reichsbanner, Simonsstraße 79. Frühmorgens auf der Flucht vor der SA vom Dach gestürzt und gestorben. (StaW, Sterbeurkunde Elberfeld Nr. 1091)
27.6.1933 Fritz Dähler (29.6.1904) wurde am 27. Juni 1933 um etwa 4:00 Uhr morgens von einen SA-Mann und einem Schutzpolizisten aus der Wohnung in der Wirkerstr. 26 geholt. Unten warteten zwei Autos mit 6-7 SA-Leuten. Fritz Dählers Leiche wurde am 28.6.1933 mit zwei Schussverletzungen 15 m von der Nordratherstraße (Nordrath 9)i n einem Wäldchen nahe des Deilbachstals aufgefunden. (Wiedergutmachungsakte Abraham Dähler, StAW AfW, W-11158; Wiedergutmachungsakte Erwin Dähler StAW AfW, W-11159; LAV NRW R, Gerichte, Rep. 5/834)
29.6.1933 Andreas Milfried (24.11.1896 in Vohwinkel), KPD, Bauarbeiter, Siegersbusch 153. Er wurde in der Nacht zum 29.6.1933 von einem Trupp SA-Männer verhaftet. Am 29.6.1933 frühmorgens fand man ihn u.a. durch Kopfschüsse getötet im Neandertal bei Erkrath. (GStA PK, I. HA Rep. 84a, Nr. 5340)
29.6.1933 Friedrich Merseburg (1.3.1902 in Aken, Kreis Calbe), KPD, Kampfbund gegen den Faschismus, Heizer, Mainstr. 25. Er wurde am 28.6.1933 von SA aus seiner Wohnung geholt und in der Nähe von "Gut Steinberg" angeschossen. Er schleppte sich noch in die Hofschaft Wiesenhaus 1 und wurde dort um 4 Uhr Morgens auf einer Treppe schwerverletzt aufgefunden. Er starb am 29.6. im Krankenhaus. (GStA PK, I. HA Rep. 84a, Nr. 53399; StAW, AfW Nr. 12372.)
30.6.1933 Friedrich Strunk (12.8.1900 in Barmen), Bandwirker und Tuchmacher, Notwohnung Clausenhof 42, Strunk wurde am 30.6.1933 um kurz nach 0:10 Uhr morgens von acht SA-Männern aus seiner Wohnung herausgeholt und unter der Clausenbrücke mit Schüssen schwerverletzt. Er wurde in der Höhe der Clausenstr. 47 gefunden und starb im Krankenhaus.
(GStA PK, I. HA Rep. 84a, Nr. 53402)
30.6.1933 Johann Paul Ellerhold (16.9.1903 in Düsseldorf), KPD, Kampfbund gegen den Faschismus, Düsseldorf-Gerresheim Steinweg 10. Der Düsseldorfer wurde am 30. Juni 1933 in Düsseldorf verhaftet und war seitdem verschwunden. Am 3.7.1933 wurde morgens an der Ronsdorfer Talsperre eine Holzkiste mit seiner Leiche angeschwemmt. Laut Obduktionsgutachten lag seine Leiche schon 2-3 Tage im Wasser. Seinen Körper hatten die offensichtlich ortskundigen Mörder in eine Holzkiste gezwängt und in die Ronsdorfer Talsperre geworfen, wo sie am 3.7.1933 in der Nähe der Staumauer entdeckt wurde. Eine sichere Todesursache hat die Leichenöffnung nicht ergeben. „Einige Anzeichen sprechen für einen Erstickungstod.“
(GStA PK, I. HA Rep. 84a, Nr. 53399; StAW, AfW Nr. 53405)
5.7.1933 Julius Henning (12.1.1898 in Elberfeld), KPD, Bauarbeiter, Exerzier-Platz 46 a. Von SA-Männern auf der Deweerthstraße angeschossen und auf dem Transport ins Krankenhaus verstorben.
(StaW, Sterbeurkunde Elberfeld Nr. 1139)
26.7.1933 Max Kramer (24.9.1898 in Döbritschen), KPD, Steinbrecher aus Gruiten, Fliederstr. 3. In der Nacht zum 26.7.1933 um ein Uhr drangen SA-Männer und andere Nationalsozialisten in seine Wohnung ein und entführten ihn. Er wurde bereits um 2:00 Uhr morgens in der Beek in Elberfeld tot aufgefunden. (GStA PK, I. HA Rep. 84a, Nr. 53407)
[1] Vgl. David Magnus Mintert: Das frühe Konzentrationslager Kemna und das sozialistische Milieu im Bergischen Land, Bochum 2007, S. 111.