2008

Offener Bürgerantrag an die Bezirksvertretung Elberfeld

              Für ein würdiges Umgehen mit den Opfern des Nationalsozialismus in Wuppertal!

              Für eine Rita und Yzchok Gerszt-Treppe!

Im Vorfeld der Gedenkfeier für die Opfer des Wuppertaler Konzentrationslagers Kemna wenden wir uns öffentlich an die Bezirksvertretung Elberfeld.

Vom 19.-25. Juni 2008 wird die ehemalige Wuppertalerin, die Holocaust-Überlebende Stephanie Gerszt - Furman mit ihrer Tochter auf Einladung des "Vereins zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal" zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland besuchen. Sie wird am 21. Juni 2008 an der Gedenkfeier für die Opfer des KZ Kemna teilnehmen. Die US-Amerikanerin Stephanie Gerszt ist die Tochter der jüdischen Wuppertaler Widerstandskämpfer Yzchok und Rita Gerszt, die im Zuge der Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse verfolgt und später in Auschwitz bzw. Bernburg von den Nazis ermordet wurden. Die damals 5 jährige Stephanie Gerszt konnte 1941 bei der Verhaftung ihrer Mutter durch die Gestapo in Brüssel in letzter Minute fliehen und überlebte die NS-Zeit versteckt in belgischen Waisenhäusern. 1947 wurde die Waise von ihrem Großonkel in die USA geholt.

Es ist für uns eine große Ehre, Stephanie Gerszt-Furman in Wuppertal begrüßen zu dürfen. Stephanie Gerszt-Furman wird auf Einladung unseres Vereins zum ersten Mal wieder Wuppertal besuchen und wir werden versuchen, ihr die vergessenen Orte und Schauplätze des jüdischen Lebens und der Wuppertaler Arbeiterbewegung zu zeigen.

Im Vorfeld des Besuchs haben wir - leider erfolglos - versucht, eine Ehrung und Würdigung der  Widerstandskämpfer Yzchok und Rita Gerszt in Wuppertal anzuregen. Ausgerechnet im Kemna-Erinnerungsjahr ist eine Ehrung der beiden jüdischen Widerstandskämpfer aus der Wuppertaler Arbeiterbewegung in der Bezirksvertretung Elberfeld gescheitert. Eine Benennung einer noch namenlosen Elberfelder Treppe nach Yzchok and Rita Gerszt, die direkt an der Treppe in der Reiterstr. 3 bis 1936 gewohnt hatten, wurde mit folgender Begründung verwehrt:

"Der Bezirksbürgermeister teilt mit, dass nach Rücksprache mit dem zuständigen Sachbearbeiter dringend davon abgeraten werde, diese Benennung zu beschließen. So sei diese Familie nur eine von ca. 1200 ermordeten Familien in Wuppertal. Sich hiervon eine auszusuchen sei nicht ratsam." (Bezirksvertretung Elberfeld 2.4.2008)

Wir halten diese Begründung für skandalös und im höchsten Maße für unverständlich. Vor dem Hintergrund der Kemna-Gedenkfeier fragen wir uns, welcher Mitarbeiter der Stadt Wuppertal eigentlich dringend davon abrät, einzelne Opfer des Naziterrors, stellvertretend für so viele, durch eine Straßenbenennung zu ehren? Hat der Bezirksbürgermeister wirklich Angst davor, dass Angehörige der über 1200 ermordeten jüdischen Familien ein Gedenkzeichen oder eine Straßenumbenennung in Wuppertal einfordern? Diese peinliche Variante von Schuldabwehr sollte uns auf den Plan rufen, endlich für würdige Erinnerungszeichen für die Wuppertaler Opfer des Nationalsozialismus zu sorgen.

Im Vergleich zu anderen Großstädten gibt es erheblichen Nachholbedarf, was die aktive Erinnerung an die Opfer der Nationalsozialisten angeht.

Von den 18  Antifaschisten, die im 1. Halbjahr 1933  von der SA in Wuppertal ermordet wurden, wird bislang nur an Oswald Laufer erinnert. Von den mindestens 71 ermordeten Widerstandskämpfern, die im Zusammenhang mit den Wuppertaler Gewerkschaftsprozessen inhaftiert wurden, ist bisher nur Friedrich Senger geehrt worden.  

Zum 75. Jahrestag der Eröffnung des KZ Kemna sei besonders daran erinnert, das bis heute eine Gedenktafel an dem Fabrikgebäude fehlt, in dem eines der ersten Konzentrationslager in Nazi-Deutschland eingerichtet war. Die älteren Wuppertaler werden sich sicher erinnern, es hat 50 Jahre gedauert, bis in Wuppertal ein Erinnerungszeichen für das unvorstellbare Leiden der Kemna- Opfer politisch durchsetzbar wurde.

 Die Überlebenden des KZ Kemna und mit ihnen, Jugendverbände und Gewerkschaften, hatten Jahrzehnte vergeblich für einen würdigen Erinnerungsort gestritten. Obwohl das Gebäude des ehemaligen KZ gut erhalten war, der historische Ort der Folter und Demütigung nicht zerstört war, und sich aus den Akten ergab, das ein Nebengebäude sogar durch Häftlingsarbeit gebaut wurde, gab es keine Chance, an dem Ort selbst eine würdige Gedenkstätte und ein Dokumentationszentrum für den Wuppertaler Widerstand aufzubauen. Man musste 1983 auf eine gegenüberliegende Böschung ausweichen und das in einem Schülerwettbewerb entstandene Mahnmal musste aus Spendengeldern finanziert werden. Die Privatbesitzer der Fabrik hatten sich sogar geweigert, eine Gedenktafel zuzulassen und manche WiderstandskämpferInnen wurden von den "Hausherrn" einfach weggejagt.

Als ob es in diesem Land keinen Denkmalschutz gibt, konnte der historische Ort vom Besitzer entkernt und baulich verändert werden. Die Spuren des KZ sollten verschwinden, die Wuppertaler Öffentlichkeit sollte sich kein Bild machen können. Auch das alte Gestapo- und Polizeigefängnis an der Bachstrasse ist ohne Gedenkzeichen und wird dem Verfall preisgeben und soll abgerissen werden.

Wir möchten Sie daher bitten, uns bei der Durchsetzung der Straßenbenennung zu unterstützen.

Wir fordern die Ehrung der Wuppertaler Widerstandskämpfer Yzchok and Rita Gerszt durch die Benennung einer Treppe in der Elberfelder Nordstadt. Wir schließen uns damit  dem Antrag der Bündnis 90 /Die Grünen Fraktion an: "Die Bezirksvertretung möge beschließen: Die Treppe zwischen der Plateniusstrasse und der Reiterstrasse wird benannt und erhält den Namen "Rita und Yzchok Gerszt-Treppe"

              Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal e.V.

              Unterstützungsunterschriften bitte an info@wuppertaler-widerstand.de

 ErstunterzeichnerInnen:

Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal;  Prof. Heinz Sünker, Bergische Universität Wuppertal;  ASTA der Bergischen Universität Wuppertal;   Spurensuche NS-Geschichte in Wuppertal e.V.; Hajo Jahn,  Vorsitzender der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft und Stiftung "Verbrannte und verbannte Dichter - Für ein  Zentrum der verfolgten Künste"; Naturfreundejugend Wuppertal; Dr. Karl Heinz Roth, Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, Bremen; Ulrich Föhse; Uli Klan;  Naturfreundejugend Wuppertal;  Koordinationskreis Antifaschismus Wuppertal, Rathausfraktion - die Linke Wuppertal; Dr. Ernst Stier, Berlin; Berliner Geschichtswerkstatt; Roman Fröhlich; Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles e.V.; Tatjana Schlaht; Matthias Wagner, Lüdenscheid; Dr. Gerhard Rammer, Bergische Universität Wuppertal; Ernst Diebels, Dipl.- Psychologe, Psychol. Psychotherapeut, Johanniter Tageskliniken Wuppertal; DKP Wuppertal; Niklas Reese; Naturfreunde Wuppertal; Prof. em. Klaus Schilling, Theoretische Physik - Bergische Universität   Wuppertal; Doris Bender-Diebels; Armin Himmelrath, Journalist, Köln; Prof. Dr. Schminck-Gustavus, Universität Bremen.

 

             Zur Biographie von Yzchok and Rita Gerszt,  Reiterstrasse 3

Yzchok Gerszt, geboren am 16.10.1901 in Polen, wanderte 1920 nach Deutschland ein, arbeitete als Schneider und Reisender für eine Herenschneiderei und hatte sich später mit einer Lohnschneiderei selbstständig gemacht.Politisch  engagierte er sich in Polen zunächst im sozialistischen "Bund", in Wuppertal trat er 1924 in die KPD ein. Bis 1933 war er u.a. im Vorstand des jüdischen Arbeiter-Kultur- Vereins an der Klotzbahn engagiert. Dort traf sich der Teil der (ost)jüdischen Community, die Lohnschneider und kleinen Selbstständigen aus dem Umkreis des Textil-Zentrums in der Hofaue, die sich der organisierten Arbeiterbewegung zugehörig fühlten.

Zusammen mit den Wupertaler Widerstandskämpfern Ewald Funke, Jukiel Gilberg, Karl Ibach und Friedrich Senger und anderen arbeitete Yzchok Gerszt seit 1931 im AM-Apparat der KPD und hatte u.a. Kontakte zu antinazistischen Polizeibeamten aufgebaut. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten organisierte er zusammen mit seiner Frau Rita Gerszt Geldsammlungen bei jüdischen Sympathisanten der Arbeiterbewegung zur Finanzierung der illegalen Arbeit und Treffs für die illegale Arbeit.

Yzchok Gerszt wurde im Zuge der 3. Verhaftungswelle der "Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse"  (www.gewerkschaftsprozesse.de) am 30. Juni 1936 verhaftet. Durch die Aussagen von Mitgefangenen erfuhr die Gestapo von der illegalen Arbeit und das Oberlandesgericht in Hamm verurteilte ihn zu 4 Jahren Zuchthaus.

Yzchok Gerszt wurde zunächst 4 Jahre in den  Zuchthäusern in Herford und Siegburg festgehalten. Das Polizeipräsidium in Wuppertal betrieb nach dem Haftende die "Ausweisung". Yzchok Gerszt wurde in Schutzhaft genommen und r nach Auschwitz deportiert. Dort starb er, so die amtliche Bescheinigung, am 13. Januar 1945, auf einem Todesmarsch, nur wenige Tage vor der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee.

Auch seine Frau Rita Gerszt, geborene Deutscher, ebenfalls Mitglied der KPD, und die im Juni 1936 vier Monate alte Tochter Stephanie gerieten in die Mühlen der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Ein letzter Versuch, die vorzeitige Freilassung ihres Ehemanns zu erwirken, scheiterte. Am 30. Juni 1939 verfasste Rita Gerszt ein Gesuch für die Freilassung ihres Ehemanns an den Generalstaatsanwalt in Hamm: "Ich habe zum 30. 6.1939 meine Ausweisung aus dem deutschen Staatsgebiet erhalten und richte deshalb die flehentliche Bitte an Sie, meinen Mann den letzten Rest seiner Strafe zu erlassen, damit wir zusammen auswandern können und mein Kind den Vater wieder hat (..) Ich befinde mich in einer ganz verzweifelten Lage, und ich weiß nicht wohin ich mich mit meinem 3jährigen Kindchen ohne meinen Mann wenden könnte. Statt dessen besteht bei einer Freilassung meines Mannes die Möglichkeit von seinen Verwandten in USA die Bürgschaft zur Einreise nach dort zu erhalten. Hierzu liegt auch beim Amerikanischen Konsulat unter Nr. 3153 der poln. Quote die Registrierung vor."

Das Gnadengesuch wurde trotz "guter Führung" im Zuchthaus Herford abgelehnt: "G. ist staatenloser Jude Er hat noch mehr als 1 Jahr Strafe zu verbüßen."

Rita Gerszt wurde 1939 für 4 Wochen inhaftiert. Nach der Haft floh sie mit ihrer Tochter nach Belgien. Stephanie Gerszt berichtete 2008: "Meine Mutter und ich verliessen Deutschland (.)  mitten in der Nacht und überquerten zu Fuß die deutsch-niederlänische Grenze mit Hilfe eines Guides. Nach einem längeren Aufenthalt in den Niederlanden fuhren wir mit dem Zug nach Brüssel, wo die Schwester meiner Mutter, Helen Mandelbaum, in einem kleinen Appartement mit ihrem Ehemann und den beiden Kindern lebte."

Da auch Belgien von den Deutschen besetzt war und die Verfolgungsmaßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung anliefen, organisierte Rita Gerszt mit Hilfe ihrer Schwester ein sicheres Versteck für sie selbst und ihre Tochter.

Sie wollten sich nur noch von ihren Verwandten und Freunden in Brüssel verabschieden, als die Gestapo zuschlug. Rita Gerszt wurde festgenommen und abgeführt. Im Durcheinander der Razzia konnte das fünfjährige Kind aus der Wohnung laufen. Sie lief lange durch die Straßen von Brüssel und fand dann die Wohnung ihrer Tante wieder. Helen Mandelbaum wandte sich an eine jüdische Hilfsorganisation und fand für Stephanie Gerszt ein Versteck in einem Waisenhaus. Das "Comite de defense des juifs" versteckte Stephanie unter falschen Namen in einem Waisenhaus in Forest.

Den jüdischen Fluchthilfeorganisationen gelang es in diesen Jahren Tausende von jüdischen Kindern dem Zugriff der Nazimörder zu entziehen. Stephanie Gerszt wurde mit zahlreichen anderen jüdischen Kindern von den Alliierten Armeen 1944 befreit. Bei Kriegsende wurde sie für drei Monate in einem katholischen Kloster und anschließend in einem Waisenhaus untergebracht, das von einer jüdischen Organisation geleitet wurde, die die Einreise der jüdischen Waisenkinder nach Israel vorbereitete. Kurz vor derAbreise nach Israel intervenierte ein Onkel von Stephanie, George Gerszt, der in den USA lebte. Stephanie Gerszt erhielt die Einreiseerlaubnis in die USA und im Juni 1948 konnte sie in die USA einreisen.

In ihren Wiedergutmachungsantrag vom 10.1.1967 schrieb sie u.a.: "Ich stand als Kind allein und verlassen in Belgien, und ich konnte nur durch die großzügige Hilfe von jüdischen Hilfsorganisationen mein Leben retten." Weitere Angaben konnte sie nicht machen, "da mein Erinnerungsvermögen durch die entsetzlichen Erlebnisse in meiner Jugend in einem sehr großen Ausmaße gelitten hat."

Rita Gerszt wurde nach der Verhaftung in Brüssel nach Deutschland gebracht und  in Düsseldorf vom Sondergericht zu 4 Monaten Gefängnis wegen angeblicher Devisenvergehen verurteilt. Vom  7.Juni 1940 -9. Oktober.1940 war sie im Gefängnis. Anschliessend wurde sie  in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück transportiert. Nach amtlichen Angaben kommt sie am 30.6.1942 im Lager ums Leben. Das Gedenkbuch für die Opfer von Ravensbrück verzeichnet unter dem Namen Rita Gerozt ihren Tod am 29.5.1942 in der T 4 Anstalt Bernburg. Rita Gerszt gehört zu den ca. 1600 Ravensbrücker Häftlingen, die im Vernichtungsprogramm "14 f 13" mit Kohlenmonoxid vergast und verbrannt wurden.

Von den etwa 60 000 Menschen, die dort verbrannt und vergast wurden, konnten 1947 bisher nur 80 Urnen aufgefunden werden, die aber keinen Namen, sondern nur eine Nummer tragen. Die Urnen sind halb gefüllt mit Flugasche, die mit Leichenbrand vermischt sind. Auch für Rita Gerszt gibt es keine Grabstätte.

Befreiungsfeier in Wuppertal

Datum: 16. April 2008

Uhrzeit: 19:00 Uhr

Ort: Rathaus in Wuppertal-Barmen

Am 16. April jährt sich zum 63. Mal die Befreiung Wuppertals. In Fortführung der Veranstaltung zum 16. April im letzten Jahr mit den ehemaligen niederländischen Zwangsarbeitern können wir dieses Jahr den niederländischen Jugendroman "Gestohlene Jugend" in deutscher Übersetzung der Öffentlichkeit vorstellen. Erzählt wird die Geschichte eines niederländischen Jungen, der im Oktober 1944 bei den sog. Kirchenrazzien verschleppt und nach Wuppertal zur Zwangsarbeit deportiert wurde. Das Buch konnte mit Bundesmitteln und privaten Spenden finanziert werden. In Anwesenheit der ehemaligen niederländischen Zwangsarbeiter möchten wir am Befreiungstag das Buch in Wuppertal vorstellen.

Darüber hinaus werden ehemalige Angehörige der US-Army und der Roten Armee am Befreiungstag in Wuppertal sprechen. Wir sind sehr erfreut, dass der Veteran der US-Army, Dudley Strasburg, der das Bergische Land mitbefreit hat und an der Exhumierung der Opfer der Wenzelnbergschlucht beteiligt war, nach Wuppertal kommen wird. Eingeladen sind auch die Veteranen der Roten Armee und die Überlebenden der Blockade Leningrads, die sich im Rat der Kriegsveteranen in der jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal organisiert haben. Neben dem Vorsitzenden Dr.  Shklovsky werden auch ehemalige Rotarmisten und Überlebende der Blockade Leningrads sprechen.

Grußwort: Oberbürgermeister Peter Jung

Lesung: Olaf Reitz

Es sprechen:

Dudley Strasburg, Veteran der US-Army

Dr. Juhym Shklovsky,Veteran der Roten Armee, Vorsitzender des Rates der Kriegsveteranen

Volf Harasch,Veteran der Roten Armee,

Moissei Efremovitch, Veteran der Roten Armee, Vorsitzender des Rates der Kriegsveteranen

Liubov Grishenko,  Überlebender der Leningrader Blockade

Wiel Tulmans, ehemaliger niederländischer Zwangsarbeiter

Dré Hanssen, Altsekretär der  Stichting Deportatie oktober 1944 Noord en Midden Limburg'.

VeranstalterInnen:

Verein zur Erforschung der Sozialen Bewegungen im Wuppertal e.V.

Spurensuche NS-Geschichte in Wuppertal e.V

Stiftung W.

mit Unterstützung des ASTA Bergische Universität Wuppertal

Ab 16. April  2008 im Buchhandel!

Ton van Reen: Gestohlene Jugend

»Ich habe den Krieg nur überstanden, weil ich meiner Mutter den Kummer nicht antun wollte, nicht heimzukehren. Deshalb habe ich die dunkelsten Momente überlebt.« (Lei Steeghs).

Am 8. Oktober 1944 umstellten Wehrmacht und deutsche Polizei Kirchen und Dörfer im niederländischen Gebiet Limburg. Kurz vor der Befreiung wurden noch 3000 Niederländer nach Deutschland verschleppt. Viele waren noch Kinder. Sie kamen zunächst in ein Durchgangslager in Wuppertal und wurden wie auf einem Sklavenmarkt  weiter verteilt. Sie wurden zu Zwangsarbeit nach Wuppertal, Salzgitter, Duisburg, Viersen und in viele andere Städte deportiert. Dieses Buch basiert auf den Erfahrungen von Lei Steeghs während des Zweiten Weltkriegs. Bei Kriegsbeginn war er elf Jahre alt. Als Fünfzehnjähriger wurde er verhaftet und als Zwangsarbeiter nach Deutschland deportiert, wo er schreckliche Dinge erlebte. Seine Geschichte steht für die von vielen Tausenden Zwangsarbeitern, die als Sklaven in der deutschen Kriegsindustrie eingesetzt wurden.

So weit möglich wurden alle Situationen wahrheitsgemäß geschildert, sowohl in der Familie bei Lei zu Hause als auch, was die Deportation der Zwangsarbeiter nach Deutschland betrifft. Einige Namen wurden geändert, zum Beispiel die von NSB-Leuten oder anderen, die im Krieg falsche Entscheidungen getroffen haben, aber auch von Menschen, die nie mehr an den Krieg erinnert werden wollen.

Leseprobe aus "Gestohlene Jugend", Roman: Gestohlene Jugend

Eine Rezension von Ingolf Seidel auf lernen-aus-der-geschichte.de lesen hier

Gedenkfeier am 4. März 2008 in Wuppertal zum Todestag von Ewald Funke und den 1933 ermordeten und in den Selbstmord getriebenen Antifaschisten

Datum: 4. März 2008

Zeit: 17.30 Uhr

Ort: Mahnmal für die Wuppertaler Opfer des Nationalsozialismus im Deweerthschen Garten in Elberfeld

Am 4.März 2008 jährt sich zum 70.Mal die Hinrichtung des Wuppertaler Widerstandskämpfers Ewald Funke in Berlin Plötzensee.  

Wir, die Forschungsgruppe Wuppertaler Widerstand (Verein zur Erforschung der Sozialen Bewegungen im Wuppertal. e.V) und die VVN-BdA laden deshalb zu einer kleinen Gedenkfeier am 4. März 2008 um 17.30 Uhr am Mahnmal für die Wuppertaler Opfer des Nationalsozialismus im Deweerthschen Garten in Elberfeld ein.

Gleichzeitig wollen wir an die vor 75 Jahren, 1933, ermordeten und in den Selbstmord getriebenen Antifaschisten erinnern:

Friedrich Born 01.03.1933 KPD

Oswald Laufer 07.03.1933 Reichsbanner, auf offener Strasse von SA-Leuten erschossen

Karl Altenloh 09.03.1933

Paul Reuber 18.03.1933 KPD 34

Friedrich Dähler 20.03.1933

August Klein 02.04.1933 KPD

Friedrich Stracke 07.05.1933

Alexander Ascheuer 09.05.1933 Selbstmord, Gewerkschaftssekretär SPD/Reichsbanner

Alfred Meyer 16.05.1933

Werner Dreyer 16.06.1933 SPD/Reichsbanner

Erwin Kraehkamp 25.06.1933 KJVD

Hans Goersmeier 26.06.1933 KPD

Wolfram Custin 26.06.1933 SPD/Reichsbanner

Friedrich Strunk 29.06.1933

Andreas Milfried 29.06.1933 KPD

Julius Henning 05.07.1933

Max Kramer 25.07.1933 KPD

Friedrich Merseburg 28.07.1933 KPD

Zum 70. Todestag des Wuppertaler Widerstandskämpfers Ewald Funke

Am 4. März 2008 jährt sich zum 70. Mal die Hinrichtung des Wuppertaler Widerstandskämpfers Ewald Funke. Auf roten Plakaten und mit einer knappen Pressemitteilung wurde die Hinrichtung des Widerstandskämpfers bekannt gegeben. "Der vom Volksgerichtshof am 16. August 1937 wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zum Tode und zu dauerndem Ehrverlust verurteilte 32jährige Ewald Funke aus Wuppertal-Elberfeld ist heute Morgen hingerichtet worden."

Ewald Funke wurde als Kind einer sozialdemokratisch eingestellten Familie am 30. Juli 1905 in Remscheid geboren. Er machte eine Ausbildung als kaufmännischer Angestellter und war bis 1933 beim Arbeitsamt in Wuppertal beschäftigt. Der Vater war Stadtverordneter der USPD in Remscheid und Sekretär des freigewerkschaftlichen Holzarbeiterverbandes und trat nach Auflösung der USPD wieder in die SPD ein. Die Söhne Ewald, Otto und Kurt waren, bevor sie in die KPD bzw. in den Kommunistischen Jugendverband übertraten, wichtige Funktionäre der sozialdemokratischen SAJ und der Jungsozialisten.

Ewald Funke trat spätestens 1932 in die Dienste des AM-Apparates in Wuppertal, wo er zunächst für die "Zersetzungsarbeit" innerhalb der SPD zuständig war. 1933 leitete er den Geheimapparat der KPD in Wuppertal und später im gesamten Bezirk Niederrhein. Die "Abteilung Militärpolitik" (AM) war der Nachrichtendienst der KPD. Der AM-Apparat war in Wuppertal die einzige Struktur der KPD, die von den ersten Verhaftungswellen verschont blieb. Der Apparat setzte sich in Wuppertal u.a.  aus ehemaligen Sozialdemokraten, Intellektuellen und jüdischen Kommunisten zusammen. Hauptaufgabe war die Absicherung der Spitzenfunktionäre bzw. die Beschaffung von illegalen Wohnungen, schließlich wurde ihnen die Spitzelabwehr übertragen.  Zusammen mit Kontaktleuten aus den Betrieben verfassten sie Betriebsberichte, erforschten die Stimmung und 'spionierten' nach Rüstungsgütern. Der Wiederaufbau der Gewerkschaftsgruppen wurde begleitet durch ein Netz von Vertrauensleuten in den Betrieben, die regelmäßig Informationen und Stimmungsberichte an den AM-Apparat weitergaben. Es gelang in Wuppertal sogar sozialdemokratische Gewerkschafter wie Friedrich Senger und Adolf Mann für diese gefährliche Arbeit zu gewinnen. So konnten die betrieblichen Auseinandersetzungen 1934 mit intern gewonnenen Informationen, veröffentlicht in Zeitungen und Flugblättern, begleitet werden. Höhepunkt der Aktivitäten war die internationale Solidaritätskampagne zu den Wuppertaler "Gewerkschaftsprozessen", die über die Strukturen des AM-Apparates mitorganisiert wurde. Erst im Juli 1936, gelang der Gestapo der Einbruch in die verdeckten Strukturen. Bis dahin arbeiteten sogar  zwei eingeschleuste Kommunisten unerkannt in der SA, in der HJ und in der Deutschen Arbeitsfront.

Ewald Funke wurde im Frühjahr 1934  aus Sicherheitsgründen ins Exil abgezogen und  auf  die Militärpolitische Schule in Moskau geschickt. Nach Auflösung des AM- Apparates wurde er 1936 von der Schweiz aus als Instrukteur für den Großraum Stuttgart eingesetzt.  Auf seiner dritten Reise wurde er zusammen mit Max Stingl verhaftet. Sie waren  von dem Spitzel Eugen Wicker, der in der Widerstandsleitung der Stuttgarter KPD arbeitete, verraten worden. Max Stingl und Ewald Funke wurden brutal gefoltert. Die Gestapo erpresste schließlich  Aussagen und ein umfangreiches Geständnis. Im gleichen Zeitraum  konnte die Gestapo in Wuppertal, Hamburg und Düsseldorf  weitere AM-Funktionäre wie Karl Ibach, Otto Kettig, Hans Israel  und Karl Tuttas festnehmen, so dass eine Überführung der Widerstandskämpfer durch gegenseitige Belastungen bei den unter Folter durchgeführten Verhören für die Gestapo einfach war.

Der 1. Senat des Volksgerichtshofs unter dem Vorsitz von Otto Georg Thierack verurteilte  Ewald Funke  am 16. August 1937  zum Tode. Er  starb am 4. März 1938  in  Berlin-Plötzensee unter der Guillotine.

Widerstandskämpfer ohne Grab

Sein Vater hatte sich vergeblich um die Herausgabe des Leichnams bemüht. Der Leichnam Ewald Funkes wurde dem Anatomischen Institut der Universität Berlin überlassen. Eine Grabstelle für ihn gibt es nicht, die Leichenteile wurden verbrannt und an unbekannter Stelle auf einem unbekannten Berliner Friedhof bestattet.

Bei der Vorbereitung einer Gedenkfeier für Ewald Funke hatten sich Wuppertaler HistorikerInnen und und die VVN -BdA  auf die Suche nach dem Grab von Ewald Funke gemacht.  Es stellte sich heraus, das seit 1938 die Leichen der in Plötzensee Hingerichteten nicht mehr zur Beerdigung freigegeben wurden, sondern der Berliner Anatomie zur Verfügung gestellt wurden.  Die  "nichtverwertbaren Reste"  wurden in  Berliner Krematorien verbrannt und in der Regel in anonymen Urnen auf Gräberfeldern auf Berliner Friedhöfen begraben.

Zum 70. Todestag von Ewald Funke ist daher ein Gedenken an dem Grab von Ewald Funke nicht möglich.

Die Suche nach den Gräbern geht aber weiter. Das Fehlen der Gräber betrifft nicht nur die Wuppertaler Angehörigen, sondern fast 3000 Familien im In- und Ausland, deren hingerichtete Familienmitglieder kein Grab  haben. Deshalb laden die Angehörigen und Freunde  der Wuppertaler NS-Opfer zusammen mit der VVN-BdA Anfang Juni 2008 nach Berlin ein, um zusammen mit anderen Angehörigen und Verfolgtenverbänden gemeinsam zu beraten, wie die Gräber doch noch gefunden werden können. Ein weiteres Anliegen ist die Aufstellung von würdigen Erinnerungszeichen an den gefundenen Gräberfeldern und Hinweistafeln in der Gedenkstätte Plötzensee zum Verbleib und zur Verwertung der Leichen in der Berliner Anatomie.

Von Plötzensee in die Anatomie

Ewald Funke  ist einer von fast 3000 Menschen, die in der NS-Zeit  in Berlin-Plötzensee  hingerichtet wurden. Seit einer Verfügung aus dem Jahre 1938 war eine Herausgabe der Leichen Hingerichteter nicht mehr "vorgesehen". Die Gestapo wollte wohl Solidaritätskundgebungen bei den Beerdigungen der WiderstandskämpferInnen vermeiden. Angehörige, die zum Teil persönlich in Berlin um die Herausgabe der sterblichen Überreste ihrer Kinder nachfragten, wurden abgewiesen. Die Leichen wurden direkt von den Helfern  des Chefanatomen Hermann Stieve  in die Berliner Anatomie der Friedrich Wilhelms Universität gebracht. Dort dienten die Körper der Hingerichteten  zum einen der Ausbildung der Mediziner, zum anderen zu Forschungszwecken. Der bekannte Wissenschaftpublizist Hoimar von Ditfurth erinnerte sich, dass es bei seinem Studium dort nie zu einem Mangel an Leichen gekommen sei. "Es waren ganz überwiegend Leichen von jungen, gesunden Männern. Und noch etwas war allen Leichen gemeinsam. Ihnen fehlte der Kopf."

Die Körper der WiderstandskämpferInnen  wurden aber auch  der Forschung zur Verfügung gestellt. Es wurden Präparate von Körperteilen,  Schädel- und Knochensammlungen angelegt. Der Berliner Anatom Hermann Stieve profitierte besonders von der "zeitnahen Anlieferung" junger Frauenleichen, die er für seine gynäkologischen Forschungen nutzte. Sein wissenschaftliches Renommee erwarb er sich damit, dass er "plötzlich zu Tode gekommenen" jungen Frauen unmittelbar nach dem Tod die Eierstöcke und Gebärmutter entnahm und untersuchte. 1938 schrieb Stieve begeistert von den neuen Möglichkeiten der Forschung: "Durch die Hinrichtungen erhält das Anatomische und anatomisch-biologische Institut einen Werkstoff, wie ihn kein anderes Institut der Welt besitzt." In einer Fachzeitung publizierte er 1942 über  "Die Wirkung von Gefangenschaft und Angst auf den Bau und die Funktion der weiblichen Geschlechtsorgane". Noch nach dem Krieg  berichtete  Hermann Stieve über eine 22-jährige Frau, deren Monatsblutung "infolge starker nervöser Erregung" elf Monate lang ausgeblieben war. Aber plötzlich trat, "im Anschluss an eine Nachricht, die die Frau sehr stark erregt hatte (Todesurteil), eine Schreckblutung ein. Am folgenden Tag starb die Frau plötzlich durch äußere Gewalteinwirkung." Noch 1952 schrieb Stieve im "Zentralblatt für Gynäkologie",  das er "mehrfach" Gelegenheit hatte, "Männer und Frauen zu untersuchen, die langsam verhungert waren. Gemeint waren wohl  "angelieferte Körper" aus Konzentrationslagern und "Euthanasie"- Anstalten.

Genaueres, was die Verwertung der Körper des einzelnen Hingerichteten angeht, ist nicht bekannt. Das Leichenbuch, das über die Verwendung der Körper Auskunft hätte geben könnte, wurde von interessierter Seite rechtzeitig vernichtet. So konnte auch Hermann Stieve nach dem Krieg seine wissenschaftliche Karriere in Ost und West fortsetzen. Stieve war erfolglos, aber  eingehend von den Alliierten und dem MfS befragt worden, ein Mitarbeiter von Stieve wurde allerdings  von sowjetischen Behörden verhaftet. Sein Schicksal ist unbekannt. Stieve selbst konnte sich damit herausreden, dass es auch zur Zeiten der Weimarer Republik normal gewesen sei, dass Hinrichtungsopfer der Anatomie "zufallen". Ohne Leichenbuch konnte ihm eine gezielte Forschung an den Leichnamen politischer NazigegnerInnen nicht nachgewiesen werden.  1952 starb Hermann Stieve, hoch geachtet in Ost und West. In einem Nachruf heißt es: "Als leidenschaftlicher Jäger holte er sich seine Objekte aus manchen Ländern Europas: Was er tötete und was die Anatomie ihm bot, machte er durch Deutung in Worte und Schrift wieder lebendig. Die Leichen stammten von Unglücksfällen oder von Menschen, die wegen gemeiner Verbrechen (...) von regulären Gerichten zum Tode verurteilt waren."