Begrüßungsaddresse von Dr. John Goldsmith/Liverpool zur Veranstaltung am 30. Januar

Begrüßungsadresse von Dr. John Goldsmith/Liverpool

Als einer aus der abnehmenden Zahl jüdischer Überlebender der traurigen 1930er Jahre bin ich zu einer kurzen Einleitung in das heutige Treffen eingeladen worden.

Ich bin 1924 in Oberkassel als Kind jüdischer Eltern geboren. Mein Vater hat im ersten Weltkrieg gekämpft. Meine Mutter war Zahnärztin. Sie ließen sich scheiden und in der Folge heiratete meine Mutter den Wuppertaler jüdischen Zahnarzt Dr. Alfred Meyer, der eine große Praxis hatte und professionell sehr hoch anerkannt war. Gesellschaftlich verkehrte er mit vielen kulturell verbündeten Freunden, von denen viele „Arier“ waren. Dies wurde illegal, nachdem Hitler 1933 zum Reichskanzler gemacht wurde.

Geführt von einem in Wuppertal wohlbekannten antisemitischen Nazi- Politiker, einem professionellen Rivalen, wie ich glaube, wurden in Meyers Abwesenheit aufgrund eines Urlaubs sein Haus und seine Praxis überfallen und zerstört, eine Mini „Kristallnacht“ im Vergleich zu 1938. Begleitet wurde dies durch Drohungen seines und meiner Mutter Leben.

Da die Polizei nicht willens war, den Vorfall zu untersuchen, und er um sein Leben fürchtete, begab er sich für sechs Wochen in freiwilligen Polizeigewahrsam - und ihm wurde von der Polizei geraten, Deutschland zu verlassen. Er fand Zuflucht im Haus eines Freundes in Düsseldorf, wurde dort aber noch am gleichen Tag von vier maskierten und bewaffneten Männern entführt - und dies bei Tageslicht.

Sein von Schüssen durchlöcherter und gefolterter Körper wurde einige Zeit später in einem Wasserreservoir gefunden. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einem juristischen Verfahren, das allerdings nur mit einigen kurzen Gefängnisstrafen endete. Da ich erst neun Jahre alt war, wurden diese Ereignisse glücklicherweise für lange Zeit vor mir verborgen gehalten.

In der Folge flohen meine Mutter und ich 1933 nach Holland, wo ich bis 1937 die Schule besuchte. Dann erhielt meine Mutter die Erlaubnis nach Cambridge/England überzusiedeln und dort zu praktizieren.

In späterer Zeit studierte ich Medizin, erhielt den Dr. med. und arbeitete als Direktor des „Liverpool University Teaching Hospital“; dies bis zu meiner Pensionierung.

Da ich mehr als die Hälfte meiner großen Familie in den Gaskammern des Holocaust verloren habe, werde ich häufig zu meiner Haltung gegenüber den heutigen Deutschen gefragt. Meine, sich entwickelnde, Ansicht ist, dass man die gegenwärtige Generation nicht für die schrecklichen Taten ihrer Großeltern beschuldigen kann.

Zur gleichen Zeit ist mir traurigerweise bewusst geworden, auch beeinflusst durch sich weltweit verbreitende antidemokratische Ereignisse, dass die Geschichte des Dritten Reiches überall dem Risiko der Wiederholung ausgesetzt ist; dies so lange, wie nicht alle von uns - und nicht nur die „guten Menschen“ - sich dieser Risiken und Taten bewusst sind und entsprechend handeln!

(Übersetzung aus dem Englischen Heinz Sünker)

 

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